Konrad von Würzburg. Codex Manesse (fol.383r)

Vogelautomat im „Trojanischen Krieg“ Konrads von Würzburg

Konrad von Würzburg. Codex Manesse (fol.383r)
Konrad von Würzburg. Codex Manesse (fol.383r). ca. 1250

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Der Vogelautomat im „Trojanischen Krieg“ Konrads von Würzburg ist die längste und detaillierteste mittelalterliche Schilderung. Er steht im Garten vor dem Palast des heidnischen Königs Priamus. Er wurde mit der Hilfe von Nigromantie hergestellt.

 

Konrad von Würzburg gilt als der profilierteste und erfolgreichste deutschsprachige Autor in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Neben dem unvollendeten „Trojanischen Krieg“ schrieb er die Verslegenden „Alexius“ und „Silvester“, das Epos „Engelhard“ sowie allegorische Gedichte und Versnovellen.

 

Hauptwerk „Trojanischer Krieg“ mit über 40.000 Versen

Sein Hauptwerk ist der „Trojanische Krieg“. In über 40.000 Versen wird der antike Kampf um Troja erzählt, wobei auch eine ausführliche Beschreibung eines Vogelautomaten vorkommt. In dem Palast des Priamus wird ein „Wunderbaum“ (Vogelbaum) beschrieben, auf dem Vögel saßen, die aus Edelsteinen kunstvoll hergestellt wurden und Gesang hervorbringen konnten. Es ist die längste  und detaillierteste Schilderung eines Vogelbaumes in der mittelhochdeutschen  Literatur überhaupt. In dem Text wird ausdrücklich erwähnt, dass die künstlichen Vögel mit Hilfe von Nigromantie hergestellt wurden. Hier ist die Nigromantie nicht nur als eine reine Zauberei zu verstehen, sondern die schwarze Magie ist vor allem mit der Handwerkskunst in Verbindung zu bringen. Der langobardische Bischof Liutprand von Cremona berichtete schon im 10. Jahrhundert von einen goldenen, künstlichen Baum, der ein Vorbild für die literarische Verarbeitung sein könnte. Er schrieb über den byzantinischen Thronautomaten am Kaiserhof und somit auch über künstliche Vogelmaschinen, die in Konstantinopel zu finden waren. Der byzantinische Kaiserhof galt zu dieser Zeit als ein Zentrum von künstlichen Automaten, deren kultureller Einfluss auf das westliche Abendland sehr groß war und vor allem als Vorbild für dieses galt.

 

Der künstliche Vogelautomat des Königs Priamus

Die folgenden Verse beschreiben den künstlichen Vogelautomaten ausführlich. Die künstlichen Vögel sind aus bunten, leuchtenden Edelsteinen hergestellt. Eine genaue Beschreibung wie die künstlichen Vögel funktionieren, findet man nicht. Vielmehr ist die Wirkung auf den Leser wichtig, dass dieser Vogelbaum wertvoll und prächtig ist. Es wird dargestellt, dass die Äste bei Berührung mit den Händen in einer wundersamer Weise erklangen. Mit der schwarzen Magie oder Nigromantie wird die Herstellungsweise des künstliches Baumes erwähnt. Der Vogelautomat befindet sich vor dem Palast des Königs heidnischen Priamus, der sich höchstwahrscheinlich in einem virtuellen Garten, der zur Palastanlage des Königs gehört.

 

vor dem palas ein richer boum

sich hete gar entspreitet

und was so wit gebreitet

von künstlericher sache.

daz drunter mit gemache,

sazen hundert ritter wol.

der boum stunt vögelline vol,

diu süeze doene sungen.

gewahsen unde entsprungen

was niht der boum von rechter art,

mit listen er gemachet wart

vil rilich unde wunnesam.

des boumes wurzel und sin stam

diu beidiu waren silberin.

sin este luter guldin

sach man da verre schinen;

diu bleter uz rubinen

und von smaragden waren,

diu gaben unde baren

erwelten unter reinen glast.

da clanc ein ieglicher ast

in wunneclicher wise,

swenn er gerüeret lise

wart mit handen eteswa.

wiz, brun, gel, rot, grüen unde bla

diu vögellin druf glizzen.

man hete sich geflizzen

uf si mit listen reine.

si waren von gesteine

gewürket uzer maze vin.

diu selben glanzen vögelin

diu waren des betwungen

mit listen, daz si sungen

den winter und die sumerzit.

ir stimme lute enwiderstrit

den liuten in diu oren clanc.

swer da gehörte ir süezen sanc,

dem wart vil hoher mout gegeben.

si stuonden sam si kunden leben

und heten wunneclichen braht.

Seht, also waren si gemaht

von nigromantie

(Verse 562-603)

 

zitiert nach:

Konrad von Würzburg. Der Trojanische Krieg, hrsg. von Adelbert Keller (Bibliothek des literarischen Vereins Stuttgart 44), Stuttgart 1858, S.210

 

„Vor dem Palast breitete sich ein prächtiger Baum aus, der auf künstliche Weise so verbreitert worden war, dass darunter bequem hundert Ritter Platz fanden. Der Baum war voller Vögelchen, die süße Töne von sich gaben. Der Baum war nicht auf natürliche Art entstanden, sondern mit Zauberkunst hergestellt worden, sehr herrlich und wundersam. Die Wurzel und der Stamm des Baumes waren silbern, seine Äste sah man weithin golden leuchten. Die Blätter bestanden aus Rubinen und Smaragden, welche im reinen Glanz schimmerten. Da erklang ein jeglicher Ast in wundersamer Weise, wenn er mit den Händen leise berührt wurde. Weiß, braun, gelb, rot, grün und blau glitzerten die Vögelchen darauf. Man hatte sie sorgfältig und mit reiner List hergestellt. Sie waren aus Edelsteinen außergewöhnlich fein gearbeitet worden. Dieselben glänzenden Vögelchen waren mit Zauberkunst dahin gebracht worden, dass sie winters wie sommers sangen. Ihre Stimme klang mit lauten Geschrei den Leuten in den Ohren. Wer da ihren süßen Gesang hörte, der wurde wieder besserer Stimmung. Sie sehen aus, als ob sie lebendig wären, und hatten ein wunderschönes Gefieder. Seht auch sie waren mit Nigromantie hergestellt worden.“

Die neuhochdeutsche Übersetzung stammt von Bernd Kirchhof, M.A. © 2003

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